Es gibt vermutlich eine Person in deinem Leben, die du so gut kennst wie keine andere: deinen inneren Antreiber. Er lässt deine Beine unruhig zappeln, wenn du dich gerade mit einer Tasse Tee hingesetzt hast. Er flüstert „nein, noch nicht!“, wenn du abends frühzeitig den Laptop zuklappen willst um einfach früh ins Bett zu gehen. „Schreib zumindest noch die Einkaufsliste für morgen.“
Typisch: alles irgendwie verwursten wollen
Wie die meisten kann ich das überhaupt nicht gut: nutzlos sein.
Selbst im Gebet, in der Meditation holen mich Gedanken ein an das, was ich gleich tun werde. Wenn mich etwas berührt, inspiriert, begeistert – sofort frage ich mich, was ich daraus für andere machen kann – wie ich es „verwursten“ kann (typisch Pastorin!).
Heute las ich eine Fabel von Zhuangzi. Darin kommt Meister Ki an einem riesigen Baum vorbei, der alle anderen Bäume überragt. „Der Meister Ki sprach: ‚Was für ein Baum ist das! Der hat gewiss ganz besonderes Holz.‘ Er blickte nach oben, da bemerkte er, dass seine Zweige krumm und knorrig waren, sodass sich keine Balken daraus machen ließen. Er blickte nach unten und bemerkte, dass seine großen Wurzeln nach allen Seiten auseinandergingen, sodass sich keine Särge daraus machen ließen. Leckte man an einem seiner Blätter, so bekam man einen scharfen, beißenden Geschmack in den Mund; roch man daran, so wurde man von dem starken Geruch drei Tage lang wie betäubt.
Meister Ki sprach: ‚Das ist wirklich ein Baum, aus dem sich nichts machen lässt. Dadurch hat er seine Größe erreicht. Oh, das ist der Grund, warum der Mensch des Geistes unbrauchbar für das Leben ist.‘
Verhindert nützlich-sein-wollen Wachstum?
Darf ich nutzlos sein – und gerade dadurch zu meiner vollen Größe wachsen?
Und umgekehrt: Ist es gerade mein ewiges nützlich-sein-wollen, das Wachstum verhindert?
Innere Freiheit heißt: nutzlos sein dürfen. Weil ich kein Nutztier bin. Sondern ein in diese Welt hinein geliebter Mensch, der sich in dieser Welt spielerisch austoben darf. Mein Ursprung ist bedingungslose Liebe. So bedingungslos, dass ich sie oft nicht glauben kann, und mir selbst vergewissern muss: Zum Glück (oder hoffentlich?) bin ich nützlich. Was hätte ich sonst für eine Daseinsberechtigung?
Wenn du aus der Nützlichkeits-Falle raus willst – übe dich im nutzlos sein. Fange wieder an zu spüren, was du jetzt in diesem Augenblick tun willst – nicht, was du tun solltest. Tue Dinge, die keinem was bringen, auch nicht dir selbst – bis auf unnütze Freude. Kannst du es noch spüren? Und dir dein eigenes Ja dazu geben?
Bild: Sabrina St. from Pixabay
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Naja, man könnte das „verwursten“ für eine Auslegung zu Maria und Martha… 😉
Gruß
Danke, ich mach gleich mal ne Predigt draus! Ach nee, ich lass das mal. 😉