Als Kind brachte uns unser Grundschullehrer bei, dass unsere Träume lediglich die Verarbeitung des vergangenen Tages sind, quasi zur Entspannung des Gehirns. Ich fand das traurig, weil so banal, aber schluckte es – wie so viele erwachsene Weisheiten, die man als Kind eben schluckt.
Umso faszinierter war ich, als mir als Jugendliche ein Buch in die Hände fiel, das sich mit Traumdeutung beschäftigte. Ich war wie elektrisiert: Geschah nachts doch mehr, als dass sich mein Gehirn durch selbst kreierte Science Fiction Filme entspannte? In dem Buch waren typische Traumsymbole aufgeführt und was sie bedeuten. Ich schaute oft hinein, wenn ich mich morgens an einen Traum erinnern konnte; Leider waren meine Traumbilder und -gestalten selten mit denen im Buch identisch.
Träume stellen unsere Wirklichkeit dar, wie sie ist
Seit einiger Zeit wird das Thema „Träume“ erneut wichtig für mich. Wer sich mit Schattenarbeit beschäftigt, also mit dem, was wir in unser Unbewusstes verbannt haben, stößt unweigerlich auf das Thema Träume. Träume sind mehr als die bloße Verarbeitung des vergangenen Tages. In allen Kulturen kam ihnen große Bedeutung zu – auch in der hebräischen des Alten Testaments, auch in der jüdisch-griechischen des Neuen Testaments. Dort werden besondere Träume als Reden Gottes interpretiert. Doch passt dies noch mit unserer heutigen, aufgeklärten Sicht zusammen?
Ich denke schon! Sicher geht es beim Träumen auch um „banale“ neuronale Prozesse. Doch spricht aus unseren Träumen immer wieder auch unser Unbewusstes. Und da unser Unbewusstes im Gegensatz zu unserem bewussten Denken nicht durch Glaubenssätze und Angelerntes zensiert wird, steht es in besonders enger Verbindung zu Gott. Anders formuliert: Unser Unbewusstes ist wesentlich offener für Botschaften von „oben“ als unser Bewusstsein, weil es einen Bereich hütet, der immerzu mit dem Göttlichen in Kontakt steht. Es hat den direkten Draht zu Gott, während unsere Gedanken oftmals an Gott vorbeidenken. Rüdiger Dahlke drückt es so aus: „Jeder Traum stellt unsere innere Wahrheit und Wirklichkeit so dar, wie sie ist, und nicht, wie wir sie haben möchten.“ Außerdem ist die Sprache unserer Seele die der Bilder und Symbole, nicht die der Worte und Schriftzeichen.
Auch in der Bibel wird geträumt – und gedeutet
Im Alten Testament wird von etwa 20 Träumen berichtet. Besonders bekannt ist der von Jakob (1.Mose 28), der vor seinem eigenen Bruder in die Fremde flieht, da er großen Mist gebaut hat. In dieser Situation träumt er von einer Leiter, die Himmel und Erde verbindet, an dessen Ende Gott steht und auf der Engel auf- und absteigen. Ihm wird dadurch bewusst, dass Gott auch an diesem Ort „da“ ist, nicht nur zu Hause bei den Stammesgenossen. Etwas, das sich sein Tagesbewusstsein nicht hätte träumen lassen.
Josef hat laut 1.Mose 37 schon während seiner Kindheit besondere Träume – oder kann sich besonders gut an sie erinnern. Bei seinen Brüdern macht er sich damit unbeliebt, da seine Träume arrogant und abgehoben wirken: So verneigen sich unter anderem die Getreidebündel seiner Brüder vor seiner eigenen Garbe. Was er arglos träumt, bzw. was seinem Unterbewussten längst klar ist, wird sich in seinem späteren Leben bewahrheiten.
Auch dem Pharao ist bewusst, dass er eines Tages etwas träumt, das eine tiefere Bedeutung hat als andere Träume. Nur kann er sich die Deutung nicht selbst erschließen. Zum Glück hat er mit Joseph einen echten Traum-Profi am Hof.
Tipps für die Traumdeutung
Träume können eine wichtige Hilfe sein, um sich selbst besser kennen zu lernen. Sie führen uns direkt zu unseren tiefsten Ängsten und Sehnsüchten und haben manchmal sogar einen Blick in die Zukunft oder einen praktisch-pragmatischen Tipp für uns. Was sollte man bei der Beschäftigung mit den eigenen Träumen beachten?
- Beim Erwachen reglos liegen bleiben und den Traum nochmal im Kopf durchgehen. Oft verflüchtigen sich die Träume bereits, wenn wir uns bewegen.
- Den Traum mit ein paar Stichworten festhalten – geschrieben oder als Audio-Nachricht
- In der Auseinandersetzung mit dem Traum sind die eigenen Gefühle während des Traums oft entscheidender als das genaue „Was“
- Die Figuren im Traum stehen oftmals nicht für die Menschen oder Tiere, durch die sie verkörpert werden, sondern für Anteile in mir selbst – welche könnten es sein?
- Natürlich gibt es „archaische Symbole“, die in allen Kulturen irgendwie auftauchen. Trotzdem erscheint mir das Nachschlagen von Traumsymbolen wenig hilfreich. Symbole sind nie ein-deutig sondern immer mehr-deutig, hängen in ihrer Deutung auch von Lebensalter, Geschlecht, der damit empfundenen Stimmung und vielem mehr ab
- Besser ist, mit den Traumsymbolen frei zu assoziieren und nach einer persönlichen Deutung darin zu suchen statt einer allgemein festgelegten
- Ein Traumtagebuch führen und immer wieder einmal nachschauen, welche Träume uns wie lange und auf welche Weise begleiten, oder sich mit der Zeit verändern
Hast du selbst Erfahrung mit Traumdeutung? Wie gehst du mit Träumen um, die dir bedeutsam erscheinen?
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4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Liebe Yvonne,
wie schön, dass ich gerade mal hier vorbei geschaut habe. Das Thema Träume fasziniert mich schon lange, sehr bildreiches und intensives Träumen habe ich wohl von meinem Vater geerbt. In einer Ausbildung zur psychologischen Beraterin habe ich mich aufs Träumen spezialisiert und eine Facharbeit geschrieben – ich finde es Klasse, wie du das hier so klar auf den Punkt gebracht hast! Es ist sehr spannend, die eigenen Träume zu betrachten, sie sprechen zu lassen, mit Bildern oder mit erstaunlichen Erkenntnissen, wenn man Worte dafür sucht. So träumte mein Vater zum Beispiel von „Autoreifen“ und als er sich fragte, was das denn wohl bedeuten solle, wurde im klar, dass es um einen Reifungsprozess seiner Person ging. Ich erinnere oft mehrere Träume am Morgen, spüre meistens kurz nach und mache mir nur Notizen, wenn es mich arg dazu drängt. Denn zum Teil dürfen wir es auch einfach in uns arbeiten lassen. Danke für diesen Beitrag und herzliche Grüße bei dieser Gelegenheit. Sabine
Liebe Sabine,
was du schreibst, klingt spannend! Deine Facharbeit würde mich interessieren und auch was es bedeutet, sich „aufs Träumen zu spezialisieren“. Dass du dich morgens oft an mehrere Träume erinnerst, erweckt Neid in mir :))
Sei auch herzlich gegrüßt!
Hallo Yvonne, habe deinen Beitrag mit großem Interesse gelesen und bin sehr angetan wie du einerseits sehr anschaulich aber gleichzeitig auch sehr präzise dieses Thema angegangen bist. Sehr spannend!
LG
Vielen Dank!